ABSCHIED VON MERLIN

Tieftraurig und betroffen geben wir bekannt, dass unser lieber Merlin am 29. Juli 2022 verstorben ist.

Merlin und Hubert, 2020


Merlin war unser ehemaliger Leitstier und das für die Entstehungsgeschichte unseres Lebenshofes wahrscheinlich bedeutendste Rind. Er kannte noch eine Zeit, in der sein Nachwuchs zum Schlachter gebracht wurde und Hubert hat immer wieder erzählt, dass er den Eindruck hatte, dass Merlin es ihm übel nahm, wenn wieder ein Jungrind „weggekommen“ war. Dennoch beschäftigte Hubert die Frage, ob er Merlin ein Leben auf einer Weide mit Ochsen und Stieren, ganz ohne Kühe, zumuten konnte. Dass Merlin Stier bleiben durfte und nicht kastriert werden sollte, stand für Hubert außer Frage. Auch ohne Kühe blieb Merlin ein ruhiges Tier und entwickelte keinerlei Aggressionen. Als der heutige Leitstier, Alf, 2015 im Alter von nur 2 Wochen zu uns kam, wurde er unter Merlins Führung friedlich und freundlich willkommen geheißen und in die Herde eingegliedert. Gleiches galt wenig später für den schon etwas älteren Veilchen. Auch mit Manni, einem Koloss von einem Rind, der bei seinem Einzug bei uns bereits erwachsen war und eine gute Tonne auf die Waage brachte, schloss Merlin augenblicklich Freundschaft. Diese verband die beiden bis zuletzt.

Merlin bei Alfs Ankunft 2015


Als die Dürre 2018 für Unruhe auf unseren Weiden sorgte, zählte Merlin zu den Ruhepolen in der Herde. Es war die Zeit, als seine halbwüchsigen Söhne begannen ihre Plätze in der Rangordnung zu suchen und zu festigen. Wann genau Merlin seinen Platz an der Spitze abgetreten hat, können wir nicht mit Sicherheit sagen. Uns sind keine Bilder von Rangkämpfen zwischen ihm und anderen Tieren erinnerlich. Möglicherweise wurde es ihm auch einfach zu bunt ständig „Ordnung“ in das Wirrwarr der aufstrebenden Jungen zu bringen. (Dass ältere Tiere in der Rangordnung kampflos „zur Seite“ treten ist ein Verhalten, das wir auch in der Kuhherde zu beobachten glauben. So nach dem Motto: „Macht euch das ohne mich aus!“ Im Gegenzug dafür werden ältere Tiere respektvoll behandelt, d.h. nicht zum Rangkampf aufgefordert und dürfen „in Würde“ alt werden.)


Klar ist jedenfalls, dass heute weitgehend Alf den Ton angibt, wobei ihn Manni schon mal zurechtweist, wenn es ihm zu bunt wird. Merlin zeigte schon lange kein Interesse an Rangkämpfen mehr. In den Wochen vor seinem Tod war er öfters abseits der Herde zu sehen, dann war er wieder mitten unter seinen Weide-WG-Kollegen, wie immer meistens in unmittelbarer Nähe zu Manni.

Ein Herz und eine Seele – Merlin (rechts) und Manni (links)


Im Nachhinein betrachtet hatte er wohl irgendwie ein Gefühl für sein Ableben und die Herde ebenso, denn als wir seinen leblosen Körper von der Weide wegtransportierten, gab es weder Gemuhe, noch sonst eine Reaktion (wir haben schon erlebt, dass die Tiere einen richtigen Trauerzug hinter dem Anhänger her bis zum Weideausgang bilden). Die Herde graste in einiger Entfernung einfach weiter. Merlin hatte wohl die besondere Gelegenheit sich noch unter Lebenden zu verabschieden. Der Platz, an dem er gestorben ist, wird respektiert, was sich unter anderem dadurch äußert, dass kein Tier darüber geht oder sich dort hinlegt. Ganz leicht hat ihnen Merlin das nicht gemacht, denn er hat sich ein schönes, schattiges Plätzchen nahe dem Tränker ausgesucht. Manchmal bleiben sie in der Nähe stehen und sehen dorthin.

Wir trauern zusammen mit der Herde um unseren treuen Leitstier und danken von Herzen allen, die an Merlins Schicksal und dem seiner Familie Anteil genommen haben. Euch ist es zu verdanken, dass sich die Umstellung auf einen Lebenshof bewerkstelligen lässt und Merlin seine Söhne aufwachsen sehen konnte.

Merlin, danke für deine Ruhe und deine Kraft in unseren turbulentesten Zeiten.
Danke, dass du diesen Weg mit uns gegangen bist.
Danke für dein Sein.
Danke für alles.

In liebevoller Erinnerung
Hubert und Steffi

Merlin im Juli 2022