STEFFI UND DIE MÄUSE

STEFFI – ÜBER MICH

Als Enkerl zweier Bauerfamilien aufgewachsen kam ich früh mit Tieren in Kontakt. Auch, dass man Dinge aß, die dieselbe Bezeichnung wie die Tiere im Stall hatten, bekam ich früh mit. Es kam mir aber anfangs nicht in den Sinn, dass das eine viel mit dem anderen zu tun hatte. Es war wie mit der Bank zum Draufsetzen und der Bank auf der es am Weltspartag nette Geschenke gab – 2 grundverschiedene Dinge. Wobei Tiere ja nicht einmal Dinge waren. Sie waren Freunde. Der Hofhund, der während der kindergartenfreien Sommermonate mein bester Freund wurde, die Hasen die wir Kinder aus dem Stall nehmen und ins Gras setzen durften, die neugeborenen Ferkel, die ich eng aneinander liegend unter ihrer Wärmelampe beobachtete… nie wäre ich auf die Idee gekommen, dass 2 dieser 3 letztendlich auf meinem Teller landeten. Wie kämen sie dorthin? Was hätten sie dort verloren? Da müsste man sie ja töten! Wer würde denn so etwas tun??

Aber komisch war das Ganze natürlich schon.

Das Aufwachen aus der kleinkindlichen Naivität begann langsam, aber früh. Als erstes musste das „Hasenschnitzerl“ dran glauben. Hase war im Kindergartenalter eine Zeit lang mein erklärtes Lieblingsessen. Und die Hasen im Stall meine Lieblingstiere. Als sich herausstellte, dass das eine unweigerlich einmal das andere gewesen war, wollte ich kein Hasenfleisch mehr essen – und musste es zum Glück auch nicht.

Mit Schweinefleisch war das schon etwas komplizierter. Während ich „Hase“ eigentlich nur bei meinen Großeltern serviert bekam, schien „Schwein“ allgegenwärtig zu sein: Schweinsschnitzel, Schweinsbraten, Schweinskotelette, etc. Überhaupt hatten viele Speisen, auch welche, die ich gerne aß, so seltsame Namen: Rindssuppe, Leberknödel, Grillhendl, Gummibärli, Rehrücken, Fischstäbchen, Nussschnecke… der Zusammenhang zwischen Essen und Tieren war nicht immer ganz eindeutig.

Ich verließ mich allerdings weniger auf Namen als auf meine Sinne:

Vor „nackertem“ Fleisch, wie Naturschnitzel oder G‘selchtem grauste mir (sehr zum Leidwesen meiner Eltern und Kindergartenbetreuerinnen), „verstecktes“ Fleisch, wie Faschiertes (Spaghetti!) oder Paniertes (Schnitzel!) aß ich leidenschaftlich gern. Ich bemerkte zwar, dass es selbst da hin und wieder einen Bezug zu Tieren zu geben schien („Schnitzel vom Schwein“), einige weitere Jahre in glücklich kindlicher Ignoranz waren mir aber noch beschert.

 

Doch wofür hat man Freunde? Mit dem Älterwerden setzte sich eine Frage meiner Schulkollegen besonders im Gedächtnis fest: „Steffi, warum isst du z.B. Spaghetti Bolognese, aber Schweinsbraten nicht?“

Ich hatte keine Antwort. Es war einfach so. Das eine aß ich, weil ich es immer schon gegessen hatte, vor dem anderen grauste mir.

Zwischen 10 und 14 Jahren kam ich nicht umhin meine Einstellung zu hinterfragen. Ganz, ganz vorsichtig fragte ich einmal meine Mutter auf einem Feuerwehrfest (ich hatte soeben die Brust und die Haut eines Grillhendls verputzt), ob „Haut“ denn wirklich die Haut von einem Huhn meinte. Meine Mutter sah mich an, als ob ich für die Frage eigentlich zu alt wäre und meinte nur, „Ja, natürlich, du Tschapperl, was denn sonst?“ Ich bekam einen Kloß im Hals. Das war meine letzte Hendlhaut gewesen.

Je älter ich wurde, umso mehr Speisen verschwanden aus der Liste derer, die ich freiwillig aß. „Essen“ wurde familienintern noch mehr zum Kampf, als es ohnehin schon war. Schinkenfleckerl wurden ausgeklaubt und jedes Fitzelchen prinzipiell drei Mal umgedreht – es hätte ja Schinken sein können! Als ich 14 war, waren meine Eltern wohl ermüdet, denn als ich meiner Mutter eines Abends vorsichtig verkündete, dass ich ab nun überhaupt kein Fleisch mehr essen wollte, kam statt des erwarteten Donnerwetters nur ein lapidares „Das hab ich eh schon kommen sehen.“

Als Vegetarierin kam ich ruhigen Gewissens bis ins junge Erwachsenenalter.

 

Mit 22 sollte ich dann eine Diplomarbeit in Kooperation mit einem Pharmakonzern schreiben um mein Chemiestudium abzuschließen. Selbst wenn ich nie auch nur in die Nähe eines Tierversuchs gekommen wäre, war meine Arbeit doch der erste Schritt zu einer Impfung, die möglicherweise irgendwann im Tierversuch getestet würde. Mein Gewissen machte diesen Gedanken genau eine Woche lang mit, dann brach ich die Arbeit ab.

Ein neuer Denkprozess war im Gang. Wenn ich nicht einmal damit umgehen konnte, dass Tiere für Medikamente leiden mussten (wo ich doch selbst bei Bedarf Medikamente nahm und impfen ging), konnte ich dann weiter mit der Ausbeutung von Tieren für Milchprodukte und Eier leben? Veganer waren für mich bis dahin „extreme Spinner“ gewesen. Doch 1,5  Jahre nach Abbruch meiner ersten Diplomarbeit war ich einer von ihnen.

Hin und wieder ging ich auf Demonstrationen gegen Pelz oder Massentierhaltung oder engagierte mich gegen den Walfang in der Antarktis, aber irgendwie fühlte ich mich zu dieser Art Aktivismus nicht wirklich berufen. Ich mag keine Konfrontationen und ich bin nicht gerne laut und unangenehm.

 

Ich sagte mir, dass ich mein Schäufelchen zu einer tierfreundlicheren Welt beitrug, in dem ich auf tierische Produkte verzichtete und den Menschen in meiner Umwelt vorlebte, dass es ohne auch ging. Meine innere Stimme war anderer Meinung. Ich verspürte immer mehr den Drang etwas zu tun, doch ich wusste nicht, was – bis ich mich eines Tages in einem Schweinestall wiederfand. Es war frustrierend. Es war zum Heulen. (Obwohl diese Schweine zu den wenigen gehörten, die immerhin auf Stroh stehen und sich verhältnismäßig viel bewegen können.) Aber ich wusste, dass ich sie nicht vor dem bitteren Ende retten konnte. Und selbst, wenn ich die Schweine in deren Augen ich gerade sah, retten hätte können, so gäbe es noch zig andere. Ganz zu schweigen von den Milliarden Rindern, Küken, Fischen und anderen Tieren sonst. Die Aussichtslosigkeit war überwältigend. Doch ich blickte in die Augen der Schweine vor mir und fand keinen Grund, nicht wenigstens zu versuchen jenen, für die ich vielleicht etwas tun konnte, zu helfen. Meine Bemühungen führten zur Gründung des Vereins „Happy Pigs“ (bald: Happy Pigs and Friends) und dem Freikauf von 6 Schweinen.

Auf der Suche nach einem geeigneten Platz für diese Schweine lernte ich viele Menschen kennen: Gleichgesinnte, die mir helfen wollten, und einige Bio-Bauern. Einer dieser Bauern war Hubert. Er hatte die Aussendung unseres Vereins erhalten und Platz für 6 Schweine, ob ich denn einmal Zeit für ein ausführlicheres Gespräch hätte? Die Stimme am Telefon klang sehr nett. Wir vereinbarten einen Termin für den nächsten Tag.

 

Chef-Schwein Katharina und ich

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